Britzer Allee 1912

Unsere Anlage wurde – für die damalige Zeit nicht unüblich – als Rot-Kreuz- Arbeitergartenkolonie gegründet. Das geschah 1912 vor den Toren der Stadt auf dem Baumschulgelände der Familie Späth hinter Rixdorf in Richtung Britz an der Britzer Allee, wovon auch der Name für unsere Gartenanlage entlehnt wurde.

Mit der Gründung Groß Berlins im Jahre 1920 gemeindete man unsere Sparte aus dem damaligen Landkreis Teltow nach Neukölln ein. Ein Umstand, der nicht allzu lang anhielt und 1938 mit einer Verlegung der Bezirksgrenzen zwischen Neukölln und Treptow an den Britzer Zweigkanal unsere damals 129 Pächter in den Stadtbezirk Treptow wandern ließ.

Britzer Allee 1912

Luftbild 1938 (Sen. Stadtentwicklung)

Wahrscheinlich wäre dies als nicht besonders tragisch empfunden worden, wäre nicht in der Folge des Zweiten Weltkrieges die Teilung der Stadt und der Welt in zwei Machtblöcke genau durch unsere Gärten gegangen.

In den ersten Jahren nach dem Krieg war alles noch sehr unverdächtig und die Gartenfreunde aus den Westsektoren kamen wie gewohnt auf ihre Parzellen. Zumal viele Ausgebombte in den Lauben ihr neues Zuhause fanden. Ausgebombt wurde auch unser damaliges Vereinsheim, viele wertvolle Vereinsunterlagen aus der Gründerzeit gingen hier verloren. Durch die zunehmenden Zementierung der Sektorengrenze als Staatsgrenze durften die aus dem Westen Anfang der 50er Jahre nur noch beschränkt ihre Ernteerträge ausführen. Wer sich von dort kommend länger als drei Tage in seinem Garten aufhielt, hatte den Umstand, sich als „Westbesuch“ im sogenannten Hausbuch eintragen zu müssen.

Für unsere Anlage bedeutete die zunehmende Teilung Berlins, daß zur Grenzsicherung die ersten Gärten am Britzer Zweigkanal abgetreten werden mußten. In der Folge des Mauerbaues am 13. August 1961 verloren wir dann noch mehr Gärten an die auszubauenden Grenzanlagen.

In diesem Zusammenhang konnten die Westparzellen von ihren Pächtern auch nicht mehr bewirtschaftet werden und fielen brach. Nach anfänglicher Ratlosigkeit, was mit den verwaisten Parzellen zu tun sei, fanden sie doch recht bald wieder neue Besitzer; die Nachfrage nach Kleingärten war sehr rege.

Luftbild 1967 (Sen. Stadtentwicklung)

Das sog. Grenzhinterland  oder Sperrgebiet, für das man den Passierschein benötigte, begann mitten in unserer Anlage und teilte diese in einen freien Teil und ein Teil, auf dem sich nur ausgewählte Personen bewegen durften.

Auf Ostseite (in unserem Fall war es die Südseite) der Mauer ließ sich wohl vortrefflich kleingärtnern.

Die Bilder dürften sich in West wie Ost zum Verwechseln ähnlich sehen. Nur was die Bilder nicht zeigen ist, daß das Gärtnern im Grenzgebiet mit erheblichen Einschränkungen versehen war, die man im Westteil der Stadt nicht kannte.

Um solche Hindernisse kümmerten sich die Honigbienen am wenigsten, denen unsere Anlage schon immer ein gutes Zuhause war. Zu DDR-Zeiten beheimaten wir bis zu drei Imker, heute führt ein Mitglied des Imkervereins Treptow diese Tradition fort.

Passierschein 1989
(Foto privat)

Mit Ende der Teilung verschwanden die Grenzsicherungsanlagen. Unsere Gärtner schmiedeten die nutzlos gewordenen Streckmetallgitter zu Kompostern und Kompostsieben um. Aus unseren verlorenen Gärten am Kanal wurde im Laufe der Zeit eine schöne wilde Obstwiese, der wir allerdings mehr Pflege von Seiten des Bezirkes wünschen würden.

Die Systeme kommen und gehen – die Probleme eines Kleingartenvereins bleiben bestehen. Es ist das alte Lied: Kleingärtnerische Nutzung und Motivation der Mitglieder zur aktiven Teilnahme an der Vereinsarbeit.

Ein anderes Dauerthema ist, dass seit Bestehen der Berliner Kleingärten gärtnerisch genutztes Land als Baulandreserve gesehen wird. Nach und nach verschwanden Kleingärten in unserer Umgebung in erheblichem Ausmaß. Auch die gegenwärtige Situation der Wohnungsnot in der Stadt öffnet Diskussionen, inwieweit der Kleingartenbestand weiter zugunsten von Bebauung reduziert werden kann.